Interview mit Anja Pfluger und ihrer Meinung zur Sportpsychologie

Anja Pfluger steht vor einer entscheidenden Phase in ihrer Karriere. Wird sie ihren großen Traum, die erste Bundesliga, bei ihrem Heimatverein verwirklichen können? Oder muss sie dafür wechseln? Nebenbei schreibt sie auch noch ihre Masterarbeit.

Für einige klingt das schon nach genug Stress, dabei hat sie in ihrem jungen Leben die schlimmste Erfahrung schon hinter sich gelassen. In unserem Interview erzählt sie von ihrer Führungsrolle, ihren Plänen, ihrer Meinung zur Sportpsychologie und ihrem Kampf gegen die Leukämie.

 

Ole: Hallo Anja, schön, dass du dir Zeit genommen hast! Wie läuft eure Saison?

 

Anja: Bis jetzt läuft es ganz okay. In der zweiten Bundesliga darf man ja nur drei Spieler über 20 Jahren einsetzen und damit haben wir am Anfang der Saison einen sehr jungen Kader bekommen. Teilweise mit Spielerinnen die aus der U17 hochkommen. Das ist zu Beginn eine Herausforderung, wir sind also noch in der Findungsphase. Es spielt sich aber nach und nach immer besser ein.

 

Ole: Wie siehst du in diesem Prozess deine Rolle als Spielführerin? Integrierst du die jungen Spielerinnen aktiv?

 

Anja: Ich bin schon eine der Hauptverantwortlichen, aber auch der Mannschaftsrat oder die erfahreneren Spielerinnen übernehmen diese Funktion. Es ist auch Aufgabe der jungen Spielerinnen zum Team zu finden. Schön finde ich, dass sie manchmal auch auf einen zukommen und fragen wie sie ihre Aufgaben besser umsetzen können. Am Ende ist es das gemeinsame Ziel weiterzukommen und daran arbeiten alle zusammen.

 

Ole: Hast du da einen guten Lösungsansatz wie man neue Spieler schnell in ein Team einbindet?

 

Anja: Da gibt es keine Ideallösung, da die Bedürfnisse der einzelnen Spielerinnen ja variieren. Die eine braucht den lauteren Ton, die nächste möchte lieber mit Samthandschuhen angefasst werden. Es gibt manchmal auch Spielerinnen, die nichts hören wollen. Ich sage dann aber trotzdem oft etwas. Es bringt ja nichts, wenn man Dinge unausgesprochen lässt. Alles in allem muss man sich aber erstmal richtig kennenlernen, um den richtigen Umgangston zu finden.

 

Ole: Am Wochenende ist nun das Spiel FC Bayern II (3.) gegen Hoffenheim (4.) und damit gegen den direkten Konkurrenten. Mit welcher Einstellung führst du das Team auf den Platz?

 

Anja: Wir wollen definitiv gewinnen! Hoffenheim wurde letztes Jahr Meister in der 2. Bundesliga Süd und wir wurden knapp zweiter. Wir spielen mit sehr viel Ballbesitzphasen und versuchen den Ball gut laufen zu lassen, um Chancen zu kreieren. Einige Mannschaften stellen sich dagegen nur hinten rein. Da müssen wir höllisch auf die Konter aufpassen. Das versuche ich auch zu vermitteln. Ansonsten wollen wir gerne die drei Punkte einsammeln und uns weiter an die Spitze kämpfen.

 

Ole: Gut das du es ansprichst: Wenn man als zweite Mannschaft Meister werden würde, könnte man nicht aufsteigen, da die erste Mannschaft in der Liga darüber spielt. Geht damit ein wichtiger Motivationsfaktor verloren?

 

Anja: Nein, das finde ich nicht. Eine Meisterschaft ist eine Meisterschaft, das kann dir keiner nehmen. Eher haben bei uns alle noch den zusätzlichen Anreiz sich in die erste Mannschaft hochzuarbeiten. Gerade beim FC Bayern haben wir immer den Anspruch an uns selbst die Liga zu gewinnen.

 

Ole: Wie nahe bist du deinem persönlichen Ziel in die erste Mannschaft zu kommen?

 

Anja: Ich bin hin und wieder mal dabei, zweimal war ich in dieser Saison schon für die Champions League nominiert. Ich gehöre offiziell nicht zum Kader der ersten Mannschaft, aber werde manchmal abgerufen für Trainingseinheiten oder manche Spiele und Turniere in der Vorbereitung. Ich habe die Ziele, die ich mir für dieses Jahr gesetzt habe weitestgehend erfüllt und werde auch in der Rückrunde meine Leistung weiter bringen. Ich spiele mit dem Gedanken mich nächstes Jahr extern weiterzuentwickeln und dort auf mich aufmerksam zu machen. So geht es ja vielen Profis bzw. Spielerinnen in 2. Mannschaften, die in ihren eigenen Vereinen keine Chance bekommen sich zu beweisen und somit nicht berücksichtigt werden. Die Philosophie von Bayern war bisher, die gut ausgebildeten Spieler außerhalb des eigenen Vereins zu verpflichten. Es wäre natürlich mein großer Traum beim FC Bayern I zu spielen und ich wäre für eine Chance dafür mehr als bereit. Ich habe allerdings in den letzten Jahren auch einige Angebote von außerhalb bekommen, um erste Liga zu spielen. Darüber denke ich schon sehr intensiv nach und es wird mit Sicherheit bald eine Entscheidung geben.

 

 

Ole: Du hast dich aber nochmal für München entschieden?

 

Anja: Die Herausforderung der eingleisigen zweiten Liga war schon ein besonderer Reiz. Die Bedingungen, die wir am FCB Campus haben sind zudem hervorragend. Außerdem wollte ich gerne meinen Master hier beenden. Im Frauenfußball ist es wichtig, dass man sich ein Standbein schafft. Die erste Liga reizt mich aber weiterhin ungemein. Es würde mir aber schon schwer fallen München zu verlassen. Mal sehen was nächstes Jahr kommt. *grinst*

 

Ole: Ist das Druck für dich, dass die Zukunft noch eher ungewiss ist?

 

Aktuell gar nicht! Ich habe eine innere Ruhe entwickelt und es öffnet sich mir immer eine Tür. Ich arbeite momentan in der Sportmedizin und bin damit sehr zu frieden.

 

Ole: Ist dieser Job notwendig um als Fußballerin überleben zu können?

 

Anja: In der ersten Liga wäre es nicht unbedingt notwendig, zumindest kurzfristig gesehen. Um nach der Karriere noch davon leben zu können reicht es meistens nicht aus. Deswegen möchte ich auch arbeitstechnisch immer in der Materie bleiben, man weiß ja nie was kommt. Leider ist der Frauenfußball da sehr hinterher und die Herren verdienen bereits im Amateurbereich eine Menge.

 

Ole: Kommen wir zurück zu deiner Führungsrolle in der Mannschaft. Was befähigt dich dazu die Rolle als Kapitän einzunehmen?

 

Anja: *lacht* Da solltest du am besten jemand anderen fragen… .Nein, ich denke die Erfahrung ist ein wichtiger Punkt, ich habe einfach schon ein bisschen mehr gesehen als die meisten anderen. Außerdem spiele ich als Mittelfeldspielerin nun mal in einer zentralen Position und versuche so das Spiel immer zu lesen und zu leiten. Das birgt natürlich, dass ich auch die Verantwortung übernehme, wenn wir verlieren. Ich mag es schon die Verantwortung zu übernehmen und schieße beispielsweise gerne unsere Elfmeter.

 

Ole: Kam diese Rolle von selbst?

 

Anja: Nein, zu Beginn hatte ich das nicht, aber meine Trainerin hatte mich damals wohl schon in dieser Rolle gesehen und mich auch etwas hineingedrängt. Mit der Zeit kam ich dann immer besser damit klar.

 

Ole: Wie gehst du dabei mit Misserfolgen um?

 

Anja: Das ist ganz unterschiedlich, im Spiel schimpfe ich manchmal vor mich hin, komme aber schnell wieder zurück und versuche vor allem hinterher den Lerneffekt aus der Situation zu ziehen. Generell versuche ich das Positive aus so etwas zu ziehen. Das versuche ich auch an meine Mitspieler weiterzugeben.

 

Ole: Super Thema, neulich habe ich einen Artikel geschrieben, in dem es um Bestrafungen im Mannschaftsport geht und wie sie sich auf das Lernverhalten auswirken. Lobst du deine Mitspielerinnen eher oder wird es öfter mal laut? Und was denkst du fördert den Spieler/ die Spielerin besser, Bestrafen oder positive Verstärkung?

 

Anja: Ich lobe jemanden, wenn es wirklich gut gewesen ist. Ich sage nicht immer etwas, aber wenn, dann meine ich es wirklich ernst. Es gibt sicher auch Tage, an denen ich mit einem Lob nicht weiterkomme, dann schwenke ich auch mal in das negative Muster um. Das versuche ich immer situationsabhängig zu sehen.

Ich halte grundsätzlich nicht so viel von Bestrafungen, kurzfristig kann man damit das Feuer in eine Übung bringen. Langfristig ist es aber eher Unsinn, dass beide Mannschaften sich anstrengen und dann die Gruppe bestraft wird, die verliert, denn die haben bestimmt auch alles gegeben. Ich denke loben ist das bessere Mittel, es wird bei uns natürlich viel vorausgesetzt, gerade von den älteren Spielerinnen wird auch mehr erwartet. Man muss sich halt klar machen, dass man hier in einem Profiverein ist.

 

Ole: Du hast ja hin und wieder schon mit Sportpsychologen im Verein gearbeitet, wann ziehst du jemanden zu Rate?

 

Anja: Letztes Jahr habe ich mit ihr gearbeitet, als es um meine Entscheidung ging, ob ich den FC Bayern verlasse oder nicht. Da hat eine Pro- und Contra-Liste nicht mehr ausgereicht. Es ist angenehm die eigenen Gedanken gespiegelt zu bekommen und sich selbst besser zuhören zu können. Ich arbeite nicht dauerhaft mit ihr, aber ziehe sie hin und wieder zu Rate. Mit meiner letzten Entscheidung bin ich sehr zufrieden.

 

Ole: Wie würdest du die Atmosphäre bei einer solchen Sitzung beschreiben?

 

Anja: Es ist ganz entspannt. Leider ist es wohl etwas verschrien zu einem Psychologen zu gehen, dabei ist es ein super Mittel. Es gibt Spieler, die denken sich: „Ich will nicht zum Psychologen.“ Das kann ich nicht verstehen, man redet über ganz banale Dinge. Dabei entwickelt man selbst schon ein gutes Bild davon, was man möchte und wie man weitermachen möchte. Ich kann es jedem empfehlen den ersten Schritt mal zu machen.

 

Ole: Du hattest in zwischen 14 und 17 eine herausfordernde Lebensphase, in der du zweimal Leukämie besiegt hast. Was hat dir die Kraft gegeben, diese Zeit zu überstehen? Hast du damals auch mit einem Psychologen gearbeitet?

 

Anja: Nein, damals war es meine Familie und meine Freunde, die mir viel Rückhalt gegeben haben. Sie haben mich aufgebaut und mir dabei geholfen zu verstehen, dass alles im Leben einen Grund hat. Sie waren meine Stütze in dieser Zeit und ich bin ihnen sehr dankbar dafür. Außerdem war der Sport ein Ankerpunkt. Ich habe mein Ziel, wieder auf dem Platz zu stehen, nicht aus den Augen verloren. Das hat sehr geholfen und aufgeben war keine Option.

 

Ole: Zu guter Letzt möchte ich gerne noch wissen, was du jungen Spielerinnen mitgeben möchtest, die sich im Leistungsfußball etablieren wollen.

 

Anja: Arbeitet hart und glaubt daran, dass ihr es schaffen könnt. Klingt nach einer Floskel, es ist aber wahr.

 

Ole: Liebe Anja, vielen Dank für das schöne Interview. Für deine Zukunft wünsche ich dir alles Gute und dass du in den kommenden Jahren weiter zufrieden mit deinen Entscheidungen sein kannst. Ich bin mir sicher du wirst deinen Weg machen.